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Mittwoch, 30. Oktober 2013

恩、義植、人情 (Onn, Giri und Ninjou)

Wie vor einiger Zeit versprochen folgt nun der nächste Teil zur japanischen Wesensart. Ich möchte aber gleich vorwegnehmen, dass ich dieses Thema nicht hundertprozentig verstanden habe. Es klingt anfangs sehr einfach, aber sobald neue Beispiele des Senseis kamen wurde mir wieder vor Augen geführt, dass ich es nicht verstanden habe. Aber nun eins nach dem anderen, hier folgt mein Versuch einer Definition:

Die drei Begriffe Onn, Giri und Ninjou stehen in starker Beziehung zueinander und beeinflussen sich Gegenseitig. Giri lässt sich wohl am einfachsten als (Treue-)pflicht oder die Erwartung anderer Personen beschreiben. Ninjou bezeichnet die eigenen Gefühle, Bedürfnisse und Erwartungen, diese stehen oft im Konflikt mit Giri. Die Handlung einer Person wird also von Giri und Ninjou beeinflusst.

Nun kommt Onn ins Spiel. Onn bezeichnet eine Situation in der eine Handlung einer Person implizit eine Handlung der anderen Person fordert. Ganz nach dem Motto ich helfe dir du hilfst mir. Allerdings scheint, dass alles nicht so einfach zu sein. Ich kann auch leider nicht beschreiben was daran komplex und nicht greifbar ist, es ist einfach ein Gefühl der Unwissenheit das nicht verschwindet... Das wurde mir besonders klar als der Sensei weitere Beispiele dafür genannt hat.

Das wohl einfachste Beispiel ist folgendes:
Die Eltern eines japanischen Kindes ziehen dieses groß und sorgen für dieses Kind bis es sowohl sozial als auch finanziell von den Eltern unabhängig ist. Außerdem lebt diese Familie in keiner größeren Stadt. Nun zieht das Kind, mittlerweile als selbständiger Erwachsener, in eine entfernte Stadt um Arbeit zu finden und ein eigenständiges Leben aufzubauen. Dieses lebt er oder sie für eine lange Zeit. Nach vielen Jahren sind die Eltern sehr alt und benötigen Hilfe. In vielen fällen wird dieses Kind gebeten den Eltern zu helfen, was bedeutet, dass das Kind in die eigene Heimatstadt zurückkehren muss.

In diesem Beispiel lässt sich klar erkennen, dass die Erziehung der Eltern eine Art einer  Vorleistung darstellt die sie später im Alter einfordern. Das Problem des Kindes ist, dass es mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht das eigene Leben in der Stadt aufgeben möchte (Ninjou), allerdings die Verpflichtung fühlt der eigenen Pflicht nachzukommen (Giri).


Viele Japanische Filme greifen diesen Konflikt auf. Eine typische Handlung aus älteren Filmen ist, dass ein Samurai sich in eine „normale“ Frau verliebt und von dort an im starken Konflikt zwischen seiner Verpflichtung und seinem Verlangen steht.

Mittwoch, 25. September 2013

本音と建前 (Honne und Tatemae)

Wie ich bereits angekündigt hatte folgt hier ein weiterer Post zu generellen Eigenschaften von Japanern.

Der Begriff „Honne“ meint die eigene Meinung, Überzeugung oder die echten Gedanken einer Person. Der Begriff „Tatemae“ meint hingegen die Handlung dieses Menschen, die sich sehr vom Honne unterscheiden kann.

Tatemae wird zumeist durch die Meinung der Gesellschaft oder der Gesprächspartner beeinflusst. Das hauptsächliche Ziel ist es Konflikte oder Meinungsverschiedenheiten zu vermeiden. Und sich damit konform mit der Gesellschaft zu bewegen.

Ich denke, dass dieses Konzept am besten als „Eigene Gedanken und Handlung nach außen“ zusammengefasst werden kann. Auch bin ich der Meinung, dass man dieses Konzept in nahezu jeder Gesellschaft beobachten kann. Da es oft einfach nicht angebracht ist die wahre Meinung zu äußern. Allerdings ist es schon ein Statement für sich, dass es in Japan für diesen Sachverhalt explizite Wörter gibt, die mehr Aussage haben als die sechs Wörter die ich im deutschen dafür gewählt habe.

Unter Japanern verursacht dieses Konzept kaum Probleme, denn jeder kennt dieses von Kindheit an. In Kontakt mit anderen Kulturen wird es allerdings schwierig. Es werden oft Phrasen verwendet die auf mich (und ich denke für die meisten westlichen Menschen) eher positiv wirken, welche allerdings ein klares Zeichen für eine negative Einstellung sind. Hier einige Beispiele dazu:
-       むずかしい です (muzukashii desu) Es ist schwierig.
-       きびしい です (kibishii desu)Es ist anstrengend.
-       まえむき です (meamuki desu)Ich denke positiv über die Sache.
-       じかん を かけて ぎろん する (jikan o kakete gilon suru) Es braucht Zeit das zu diskutieren.

Wir haben in der Gesprächsrunde meist das Beispiel einer Vertragsverhandlung zwischen einem Japaner und einer westlichen Personen herangezogen. Wenn nun eine dieser Phrasen im Gespräch fällt ist damit mit fast kompletter Sicherheit ein klares „Nein“ gemeint. Ich würde, ohne das Wissen über Honne und Tatemae, allerdings denken, dass der grobe Rahmen in Ordnung ist, aber noch über Details verhandelt werden muss.

Das große Problem was ich nun sehe ist, dass wenn eine solche Phrase beim Zuhörer nicht richtig ankommt, dass dieser immer noch eine sehr positive Einstellung hat und sich nach einigen Tagen wundert warum keine Reaktion mehr vom Verhandlungspartner folgt. Von dessen Seite waren die Verhandlungen aber schon längst beendet. Und damit ist der Versuch die Harmonie zu bewahren komplett nach hinten losgegangen, da der westliche Verhandlungspartner im nachhinein wahrscheinlich verärgert ist und er viel lieber direkt ein wortwörtliches „Nein“ gehört hätte.

Zu allerletzt hatte der Lehrer die Frage in den Raum gestellt, ob Japaner unter diesem Aspekt Lügner sind. Auch ich lasse diese Frage einfach mal offen im Raum stehen.

Donnerstag, 19. September 2013

根回し (Nemawashi)

Dieser Post ist der Anfang einer Serie über die wesentlichen Eigenschaften von Japanern. Die Einteilung in die einzelnen Begriffe kommt vom Präsidenten des International Student Office. Mit ihm haben wir fünf Termine an denen er uns versucht die Mentalität der Japaner nahe zu bringen. Mein Wissen basiert zum einen auf diesen Terminen und zum anderen auf eigenen Nachforschungen.

In diesem Post möchte ich die erste Eigenschaft die wir besprochen haben beschreiben. Diese heißt 根回し (Nemawashi). Nemawashi ist der informelle Vorgang alle betroffenen Personen bei einer Entscheidung zu beachten. Bei diesem Vorgang wird keine Entscheidung getroffen, sondern es werden nur Meinungen ausgetauscht und Möglichkeiten besprochen. Dabei wird in der Regel keine Diskussion stattfinden. Ziel von Nemawashi ist es einen Konsens zwischen den beteiligten Personen zu bilden. Nachdem die Phase des Nemawashi abgeschlossen ist kann der eigentliche Termin zum treffen der Entscheidung angegangen werden. Bei diesem sind dann auch Diskussionen angemessen (zu Diskussionen ist auch „Honne und Tatemea“ interessant, dies wird in einem nächsten Post erläutert werden).

Nemawashi ist in den meisten Fällen kein einzelner Termin. Es ist eher eine Reihe von Treffen. Diese treffen findet oft auch auf verschiedenen Hierarchieebenen statt. Die Treffen können zum einen sehr informell beim zwischen Tür und Angel, beim Golfen oder auch formell bei einem Essen stattfinden. Durch die Konsensbildung ist es wohl auch möglich bei einem Vorgesetzten „einen Gut zu haben“, wenn die eigene Meinung nicht beachtet wurde oder beachtet werden konnte. So, dass ein Gefallen zu einem späteren Zeitpunkt explizit eingefordert werden kann.

Der Vorteil dieses Vorgehens liegt eindeutig auf der Hand: Alle betroffenen haben die Möglichkeit sich in den Entscheidungsprozess einzubringen. Auch sollte Nemawashi beachtet werden, wenn in Japan Verhandlungen erfolgreich verlaufen sollen. Die Nachteile sind jedoch nicht zu unterschlagen. Dieser Prozess dauert meist sehr lange, so dass Entscheidungen größerer Tragweite schon einmal 1 bis 2 Jahre in Anspruch nehmen können (das war die Formulierung des Präsidenten). Auch kommt es wohl bei Verhandlungen mit  ausländischen Firmen oft zu Missverständnissen, da es für die nicht japanische Firma oft so wirkt als ob es nicht voran geht und nur um den heißen Brei herumgeredet wird.


In den nächsten Teilen werde ich noch über 本音と建前 (Honne und Tatemae), über 恩、義植、人情 (Onn, Giri und Ninjou), über nonverbale Kommunikation und über 割り勘(Warikan) schreiben.