Sonntag, 29. September 2013

Schulhierarchie

Mittlerweile habe ich schon einen Einblick bekommen wie alles Mögliche im Anan NCT abläuft. Die Einrichtung wird hier von den meisten Personen übrigens 阿南高専 (Anan Kosen) genannt, das entspricht etwa „Anan Fachoberschule“.

Der erste Punkt ist die Verteilung der Zimmer hier im Studentenwohnheim. Dabei werden sowohl das Schul- oder Studienjahr, als auch die Leistungen in der Schule und das Sozialverhalten mit einbezogen. Je nach dem werden Zimmer mit 1 – 4 Personen vergeben. Die besten Einzelzimmer haben sogar einen kleinen Balkon und eine Küche die sich mit mehreren Personen geteilt wird. Als Gast hier am Kosen genießt man das Privileg in einem Einzelzimmer mit gemeinsamer Küche zu wohnen. Das ist hier eines der beliebtesten Zimmer.

Sehr überrascht war ich über die Tatsache, dass die Erst- und Zweitklässler der High School sich um die Nachsortierung unseres Mülls kümmern.

Dann geht es auch schon weiter mit der Grüß-Hierarchie. An dieser Einrichtung ist es eine Tradition, dass Schüler unterer Klassen die Schüler höherer Klassen grüßen. In umgekehrter folge ist es komplett freiwillig. Grade die Erstklässler müssen dies mit sehr großem Elan tun. Wenn man also am Morgen, komplett verschlafen, über den Gang geht und von einem sehr lauten おはようございます (Ohayo gozaimasu) begrüßt wird, kann das schon mal dazu führen, dass man sich ziemlich erschreckt.

Die Sitzplätze sind hier nicht dem Zufall überlassen, auch dort wird  nach Männlein, Weiblein und Rangfolge sortiert. Auch hier sind die Gäste wieder sehr hoch angesiedelt. Das heißt, dass die wichtigsten Personen ganz vorne in der Mitte sitzen. Mit abnehmender Wichtigkeit geht es dann in der Mitte weiter nach hinten. Zu den beiden Seiten werden dann die weiteren Rangfolgen „einsortiert“. Als Gaststudent der Universität sitze ich also mittig im Publikum.


Bei einem Treffen des gesamten Studentenwohnheims wurde diese Rangfolge auch eingehalten. Die Mädchen der ersten und zweiten Klasse standen zum Eingang gewandt und haben geschlossen als Gruppe jeden eintretenden begrüßt. Kurz darauf folgte das Echo von den männlichen Erst- und Zweitklässlern, diese saßen allerdings bereits. Die Mädchen haben sich erst gesetzt als alle Personen anwesend waren.

Mittwoch, 25. September 2013

本音と建前 (Honne und Tatemae)

Wie ich bereits angekündigt hatte folgt hier ein weiterer Post zu generellen Eigenschaften von Japanern.

Der Begriff „Honne“ meint die eigene Meinung, Überzeugung oder die echten Gedanken einer Person. Der Begriff „Tatemae“ meint hingegen die Handlung dieses Menschen, die sich sehr vom Honne unterscheiden kann.

Tatemae wird zumeist durch die Meinung der Gesellschaft oder der Gesprächspartner beeinflusst. Das hauptsächliche Ziel ist es Konflikte oder Meinungsverschiedenheiten zu vermeiden. Und sich damit konform mit der Gesellschaft zu bewegen.

Ich denke, dass dieses Konzept am besten als „Eigene Gedanken und Handlung nach außen“ zusammengefasst werden kann. Auch bin ich der Meinung, dass man dieses Konzept in nahezu jeder Gesellschaft beobachten kann. Da es oft einfach nicht angebracht ist die wahre Meinung zu äußern. Allerdings ist es schon ein Statement für sich, dass es in Japan für diesen Sachverhalt explizite Wörter gibt, die mehr Aussage haben als die sechs Wörter die ich im deutschen dafür gewählt habe.

Unter Japanern verursacht dieses Konzept kaum Probleme, denn jeder kennt dieses von Kindheit an. In Kontakt mit anderen Kulturen wird es allerdings schwierig. Es werden oft Phrasen verwendet die auf mich (und ich denke für die meisten westlichen Menschen) eher positiv wirken, welche allerdings ein klares Zeichen für eine negative Einstellung sind. Hier einige Beispiele dazu:
-       むずかしい です (muzukashii desu) Es ist schwierig.
-       きびしい です (kibishii desu)Es ist anstrengend.
-       まえむき です (meamuki desu)Ich denke positiv über die Sache.
-       じかん を かけて ぎろん する (jikan o kakete gilon suru) Es braucht Zeit das zu diskutieren.

Wir haben in der Gesprächsrunde meist das Beispiel einer Vertragsverhandlung zwischen einem Japaner und einer westlichen Personen herangezogen. Wenn nun eine dieser Phrasen im Gespräch fällt ist damit mit fast kompletter Sicherheit ein klares „Nein“ gemeint. Ich würde, ohne das Wissen über Honne und Tatemae, allerdings denken, dass der grobe Rahmen in Ordnung ist, aber noch über Details verhandelt werden muss.

Das große Problem was ich nun sehe ist, dass wenn eine solche Phrase beim Zuhörer nicht richtig ankommt, dass dieser immer noch eine sehr positive Einstellung hat und sich nach einigen Tagen wundert warum keine Reaktion mehr vom Verhandlungspartner folgt. Von dessen Seite waren die Verhandlungen aber schon längst beendet. Und damit ist der Versuch die Harmonie zu bewahren komplett nach hinten losgegangen, da der westliche Verhandlungspartner im nachhinein wahrscheinlich verärgert ist und er viel lieber direkt ein wortwörtliches „Nein“ gehört hätte.

Zu allerletzt hatte der Lehrer die Frage in den Raum gestellt, ob Japaner unter diesem Aspekt Lügner sind. Auch ich lasse diese Frage einfach mal offen im Raum stehen.

Dienstag, 24. September 2013

Shinto Dankesfest

Bevor ich zum eigentlichen Thema komme möchte ich noch sagen, dass ich mich sehr über die Kommentare freue die mich erreichen. Falls jemand irgendwelche Fragen oder Wünsche zu den Themen oder gar etwas ganz anderes Interessiert lasst es mich wissen.

Ich wurde gefragt warum ich, wegen den strengen Regeln nicht einfach aus dem Studentenwohnheim ausziehe. Das liegt größtenteils daran, dass die Regeln sich doch sehr gut mit dem Alltag vereinbaren lassen und also gar keine riesige Einschränkung sind. Außerdem schlägt sich die Miete mit grade einmal ~55€ pro Monat zu Buche. Deshalb habe ich gar nicht mehr den Wunsch das Studentenwohnheim zu verlassen.

Wie der Titel schon verrät möchte ich etwas über eine Shinto Dankesfest erzählen. Ich war vor einigen Tagen bei einem Fest an einem Shinto Schrein. Wenn ich es richtig verstanden habe, haben die Bauern der Region den Göttern für die gute Ernte gedankt und zur gleichen Zeit um eine gute Ernte für das nächste Jahr gebeten.

Der Schintoismus ist die Hauptreligion in Japan. Allerdings würden sich wohl die meisten Japaner eher als unreligiös bezeichnen. Zu der Religion in Japan möchte ich in der Zukunft noch einen eigenen Post schreiben.

 Auf dem Platz vor dem Schrein waren einige Stände mit Essen aufgebaut. Dort konnte man sehr leckeres süßes Brot, Eis und Sobayaki kaufen. Ich empfehle einen Blick auf die Bilder zu verwerfen. Auf dem Gelände wurde ein Gebäude zu einer Bühne umfunktioniert, dort lief dann auch die eigentliche Veranstaltung ab.

Leider habe ich nahezu nichts von den Ansagen verstanden. Allerdings wurde erst ein wenig geredet, daraufhin haben zwei Personen nacheinander Karaoke gesungen. Dann folgten Tänze. Die erste Gruppe waren relativ junge Mädchen die einen traditionellen Tanz aus der Präfektur Tokushima vorgeführt haben. Als kleiner Fakt am Rande ist noch zu sagen, dass es in Tokushima das größte Tanzfest Japans gibt, dieses findet jährlich im Frühjahr statt.

Es folgten weitere Tanzgruppen mit sehr vielen verschiedenen Tänzen. Eine Gruppe war sehr Interessant, da sie die wichtigsten Teile des Lebens erzählt und durch den Tanz ausgedrückt haben. Wobei mir das auch erst relativ spät durch einige Übersetzungen klar wurde. Ich habe einige Ausschnitte der Tänze aufgenommen, diese sind hier zu sehen. Nach drei weiteren Karaoke Auftritten folgte ein Feuerwerk.

Es ist schon Interessant hier in einer japanischen Kleinstadt als Europäer unterwegs zu sein. Es ist schon auf 100 Meter Entfernung klar, dass ich hier eigentlich nicht hingehöre. Ich muss aber sagen, dass die Japaner sehr Gastfreundlich und nett sind. Ich erzähle das da mich, kurz nachdem ich angekommen bin, eine ganze Gruppe von Kindern umzingelt hat und mir Fragen gestellt haben. Leider war das alles auf Japanisch und ich habe nur wenig davon verstanden, aber immerhin konnte ich auf einiges antworten.


Auch wurde mir während einer Tanzchoreographie, als sie die Zeit als Schulmädchen dargestellt haben, ein Kuss von dieser Dame zugeworfen...

Sonntag, 22. September 2013

Prepaid SIM Karten als besondere Ware

Die Sache mit dem mobilen Telefonieren in Japan ist wirklich nicht so einfach. Mein Vorhaben war eigentlich ganz einfach. Ich habe ein iPhone 4 und möchte eine japanische Prepaid SIM Karte haben um kostengünstig zu kommunizieren. An dieser Stelle möchte ich auf die Kosten bei einem bekannten deutschen Telekommunikationskonzern mit einem Logo in der Farbe Magenta hinweisen. Dort kostet mich eine Minute mit einem eingehenden Anruf 1,39€, ein ausgehender Anruf 2,99€ und einen Tag Internet mit 10MB Datenvolumen gibt es schon ab 19,99€. Es war schon vorher klar, dass diese Preise nicht tragbar sind aber nun zum eigentlichen Heck Meck.

In Japan gibt es hauptsächlich drei Mobilfunkanbieter. Dies sind SoftBank, NTT Docomo und au. Der normale Weg ist es dort ein Mobiltelefon oder Smartphone zusammen mit einer SIM Karte zu kaufen. Entweder als Vertrag oder als Prepaid SIM, so weit gibt es keine Probleme.

Wenn man nun aber eine SIM Karte ohne ein Endgerät kaufen möchte ist dies nicht möglich. Um eine SIM Karte von einem dieser Anbieter zu bekommen muss entweder ein Telefon von genau diesem Anbieter im eigenen Besitz sein oder es muss eines gekauft werden. Beides eher unglückliche Wege, wenn man nur fünf Monate in diesem Land ist. Außerdem habe ich ja bereits mein iPhone.

Das nächste Missgeschick ist, dass es bei SoftBank aktuell keine normalen Mobiltelefone, also keine Smartphones, zu kaufen gibt, da die Produkte komplett auf Smartphones umgestellt werden. Zum Glück war meine Ansprechpartnerin so nett mir ein gebrauchtes SoftBank Mobiltelefon aus dem Internet zu bestellen. Dieses hat mich nur 2000 gekostet, umgerechnet ca. 15€. Ich habe ganz vergessen zu erwähnen, dass es SoftBank sein sollte, da alle meine Kontaktpersonen SoftBank haben und so die Telefonkosten sehr günstig sind.

Nun bestens gewappnet mit dem SoftBank Telefon, meiner Residence Card, meinem Reisepass und einer japanisch sprechenden Begleitung bin ich in die nächste SoftBank Niederlassung gegangen. Und um den Text hier nicht noch länger zu machen hier mal das vorgehen in kurz: Ich war zwei Stunden in diesem Laden. Das Ergebnis war, dass mein SoftBank Telefon defekt war. Aber immerhin hatte ich eine SIM Karte. Der erste Erfolg! Juhuuu! Die Prozedur eine SIM Karte zu kaufen dauert hier zu lande wohl immer so lange.

Die Lösung nach einigen ausprobieren war es nun die SIM Karte auf die Größe einer Mikro SIM Karte zu schneiden so, dass diese in das iPhone passt. Und dann noch ein kleiner Hinweis, dass Netz hier in Japan ist ein 3G Netz. Also immer 3G aktivieren sonst wird hier kein Netz gefunden. Und blöder Weise gibt es aktuell keine Möglichkeit mobiles Internet mit einer Prepaid SIM Karte zu bekommen, dass heißt keine praktische Navigation in einem unbekannten Land oder sonstige Vorteile die das so bietet.


Das ist wirklich der erste Punkt der mich hier in Japan wirklich stört. In Deutschland wurde dieses Vorgehen der Mobilfunkanbieter zum Glück verboten. Gut so!

Donnerstag, 19. September 2013

根回し (Nemawashi)

Dieser Post ist der Anfang einer Serie über die wesentlichen Eigenschaften von Japanern. Die Einteilung in die einzelnen Begriffe kommt vom Präsidenten des International Student Office. Mit ihm haben wir fünf Termine an denen er uns versucht die Mentalität der Japaner nahe zu bringen. Mein Wissen basiert zum einen auf diesen Terminen und zum anderen auf eigenen Nachforschungen.

In diesem Post möchte ich die erste Eigenschaft die wir besprochen haben beschreiben. Diese heißt 根回し (Nemawashi). Nemawashi ist der informelle Vorgang alle betroffenen Personen bei einer Entscheidung zu beachten. Bei diesem Vorgang wird keine Entscheidung getroffen, sondern es werden nur Meinungen ausgetauscht und Möglichkeiten besprochen. Dabei wird in der Regel keine Diskussion stattfinden. Ziel von Nemawashi ist es einen Konsens zwischen den beteiligten Personen zu bilden. Nachdem die Phase des Nemawashi abgeschlossen ist kann der eigentliche Termin zum treffen der Entscheidung angegangen werden. Bei diesem sind dann auch Diskussionen angemessen (zu Diskussionen ist auch „Honne und Tatemea“ interessant, dies wird in einem nächsten Post erläutert werden).

Nemawashi ist in den meisten Fällen kein einzelner Termin. Es ist eher eine Reihe von Treffen. Diese treffen findet oft auch auf verschiedenen Hierarchieebenen statt. Die Treffen können zum einen sehr informell beim zwischen Tür und Angel, beim Golfen oder auch formell bei einem Essen stattfinden. Durch die Konsensbildung ist es wohl auch möglich bei einem Vorgesetzten „einen Gut zu haben“, wenn die eigene Meinung nicht beachtet wurde oder beachtet werden konnte. So, dass ein Gefallen zu einem späteren Zeitpunkt explizit eingefordert werden kann.

Der Vorteil dieses Vorgehens liegt eindeutig auf der Hand: Alle betroffenen haben die Möglichkeit sich in den Entscheidungsprozess einzubringen. Auch sollte Nemawashi beachtet werden, wenn in Japan Verhandlungen erfolgreich verlaufen sollen. Die Nachteile sind jedoch nicht zu unterschlagen. Dieser Prozess dauert meist sehr lange, so dass Entscheidungen größerer Tragweite schon einmal 1 bis 2 Jahre in Anspruch nehmen können (das war die Formulierung des Präsidenten). Auch kommt es wohl bei Verhandlungen mit  ausländischen Firmen oft zu Missverständnissen, da es für die nicht japanische Firma oft so wirkt als ob es nicht voran geht und nur um den heißen Brei herumgeredet wird.


In den nächsten Teilen werde ich noch über 本音と建前 (Honne und Tatemae), über 恩、義植、人情 (Onn, Giri und Ninjou), über nonverbale Kommunikation und über 割り勘(Warikan) schreiben.